Objektiv-Guide: Von Weitwinkel bis Teleobjektiv - was du wissen musst

Du gehst fotografieren, hast schon ein Ziel vor Augen. Jetzt fehlt es nur noch, den Kamera Rucksack zu packen. Und wieder einmal stellst du dir die Frage: Welche Objektive nehme ich mit? Zoom oder Festbrennweite? Weitwinkel für die epische Landschaft oder doch ein Tele für die scheuen Waldbewohner? Immer wieder diese knifflige Entscheidung.

Lass uns heute in die richtige Objektivwahl eintauchen. Ob die Wahl beim Kauf eines Objektives oder die Wahl deines Objektivs, wenn du fotografieren gehst. Mit diesem Objektiv-Guide klären wir die wichtigsten Fragen. 

Objektive

Welche Objektive gibt es?

1. Standardobjektiv (Normalobjektiv)

Standardobjektive, auch als Normalobjektive bekannt, haben einen Blickwinkel, der dem ähnelt, was das menschliche Auge sieht. Mit einer festen Brennweite von in der Regel rund 50 mm (bzw. 35 mm für APS-C) erzeugen Standardobjektive Fotos mit minimaler Verzerrung und einer natürlichen Perspektive. 

Ein Standardobjektiv ist vielseitig einsetzbar. Es kann für verschiedene Genres wie Porträts, Street, Objektfotografie und Landschaften verwendet werden.

Bild zeigt Venedig von oben mit 50 mm Brennweite natürliche Perspektive
47 mm Brennweite (Vollformat)

2. Weitwinkelobjektiv

Weitwinkelobjektive haben eine kürzere Brennweite (unter 35 mm), wodurch sie einen breiteren Bildwinkel erfassen können. Diese Objektive eignen sich hervorragend für Landschafts- und Architekturfotografie, da sie mehr von der Szene ohne Verzerrungen erfassen können. Du kannst ein Weitwinkelobjektiv auch einsetzen, um zum Beispiel in der Straßenfotografie coole, dramatische Perspektiven einzufangen. Beachte jedoch mögliche Verzerrungen an den Rändern des Bildes, vor allem bei der Verwendung von extremen Weitwinkelobjektiven. 

Der Seebensee mit 16 mm Weitwinkel
16 mm Brennweite (Vollformat)

3. Teleobjektive

Teleobjektive haben eine längere Brennweite (ab 70 mm) was es uns Fotografen ermöglicht, entfernte Motive heranzuzoomen. Diese Objektive werden häufig in der Tier-, Sport- und Porträtfotografie eingesetzt, wenn es wichtig ist, das Motiv näher heranzuholen, ohne dass wir näher an das Motiv gehen müssen oder können. Ein weiteres wesentliches Merkmal von Teleobjektiven ist die Möglichkeit, Entfernungen zu komprimieren. 

KOrmoran beim Fischen mit 600 mm Brennweite
600 mm Brennweite (Vollformat)

4. Makroobjektive

Makroobjektive sind darauf ausgelegt, sehr detaillierte Nahaufnahmen zu machen. Von Makroaufnahmen sprechen wir, wenn der Abbildungsmaßstab 1:1 oder 2:1 beträgt. Mit Makroobjektiven können wir winzige Motive wie Insekten, Blumen oder feine Texturen vergrößern und dabei die Schärfe und Klarheit beibehalten. Makroobjektive gibt es in verschiedenen Festbrennweiten, im Bereich von 50 mm bis 150 mm, wodurch unterschiedliche Arbeitsabstände und Vergrößerungsverhältnisse möglich sind.

5. Festbrennweiten Objektive

Festbrennweiten Objektive haben – wie der Name schon sagt – eine feste Brennweite und bieten keine Zoomfunktion wie Zoomobjektive. Man nennt sie auch Fixbrennweiten. Diese Objektive sind in der Regel sehr lichtstark, was für eine bessere Leistung bei schlechten Lichtverhältnissen sorgt und eine geringe Schärfentiefe erzeugt. Festbrennweiten Objektive sind bekannt für ihre überragende Bildqualität, Schärfe und Vielseitigkeit in verschiedenen Genres der Fotografie. 

6. Zoomobjektive

Zoomobjektive bieten im Gegensatz zu Festbrennweiten variable Brennweiten in einem einzigen Objektiv und ermöglichen so eine flexible und bequeme Aufnahme verschiedener Perspektiven, ohne dass wir das Objektiv wechseln müssen. Zoomobjektive gibt es in verschiedensten Brennweiten Bereichen. Hier gilt: Je größer der Bereich, desto mehr musst du mit Qualitätseinbußen rechnen. Ein 18-300 mm Objektiv kann nie dieselbe Leistung wie zum Beispiel ein 70-200 mm Objektiv erreichen. 

7. Fischaugenobjektive

Fischaugenobjektive sind Ultraweitwinkelobjektive, die eine charakteristische kreisförmige oder halbkugelförmige Verzerrung erzeugen. Sie haben eine extrem kurze Brennweite (ca. 8-16 mm). Fischaugenobjektive sind bei Fotografen beliebt, die mit kreativen Perspektiven experimentieren und einzigartige Weitwinkelaufnahmen mit extremer Verzerrung einfangen möchten. Sie werden häufig in der künstlerischen Fotografie, Architektur und Astrofotografie verwendet.

8. Tilt-Shift-Objektive

Tilt-Shift-Objektive bieten einzigartige Möglichkeiten zur Steuerung von Perspektive und Schärfentiefe. Mit so einem Objektiv kannst du die Fokusebene kippen und die Position des Objektivs relativ zum Kamerasensor verschieben. Diese Funktion ist sehr nützlich in der Architekturfotografie zur Korrektur stürzender Linien oder zur Erzielung eines Miniatureffekts namens „Tilt-Shift-Miniatur“. 

Was bedeuten die Zahlen auf den Objektiven?

Diese Zahlen auf dem Objektiv. Ich erkläre dir hier einmal, was es mit dem Brennweiten-Bingo und Blenden-Tetris auf sich hat.

Die Zahlen, die du auf den Objektiven siehst, sind wichtig und sagen dir etwas über die Fähigkeiten des Objektivs aus.

Schauen wir uns dieses Beispiel an.

Kamera

EF-M: 

Das ist das Bajonett, der Mechanismus bzw. Verschluss, mit dem das Objektiv am Kameragehäuse befestigt wird. Wenn du beispielsweise nach einem neuen Objektiv suchst und dich fragst, ob es auf deine Kamera passt, suchst du nach einem EF-M Mount.


15-45 mm: 

Das ist der Brennweiten-Bereich, also welche Brennweite das Objektiv hat. Die Brennweite kannst du dir als Zoom vorstellen. Eine kleinere Zahl bedeutet, dass du mehr vom Motiv auf das Bild bringst. Eine größere Zahl lässt dich näher an weiter entfernte Objekte heranzoomen.
Mit diesem Objektiv deckst du einen Bereich zwischen 15 und 45 mm ab. 

1:3.5-6.3:

Die nächste Zahl ist die Lichtstärke. Meistens beginnt diese Zahlenreihe mit einer eins und einem Doppelpunkt. Entscheidend ist aber das, was danach folgt: 3.5-6.3. Das ist die Blendenöffnung. f/3.5 ist die größtmögliche Blende bei der kleinsten Brennweite 15. f/6.3 ist die größtmögliche Blende bei der größten Brennweite 45. Wenn du also den Zoom bei diesem Objektiv voll ausfährst, kannst du keine Blende mehr einstellen, die größer als f/6.3 ist.
Auf manchen Objektiven siehst du nur eine Zahl, z.B. 2.8. Das bedeutet, dass du mit diesem Objektiv im gesamten Brennweitenbereich die Blende auf maximal 2.8 öffnen kannst. Das nennt man Lichtstärke. Ein Objektiv mit durchgängiger Blende 2.8 ist sehr lichtstark (und der Traum jedes Fotografen).

Objektiv mit lichtstarke f/4
Objektiv mit durchgängiger Lichtstärke von f/4

Was ist wichtig bei einem Objektiv?

Die Frage, was bei einem Objektiv wichtig ist, kommt immer auf die Verwendung an. Die Zahlen sind dein erster Anhaltspunkt. Aber lass uns alle Faktoren, die bei einem Objektiv wichtig sind, durchgehen. Anhand dieser Faktoren lässt sich auch sagen, woran du ein gutes Objektiv erkennst:

Die Brennweite:

Sie bestimmt den Bildwinkel, genauer gesagt, wieviel Motiv du auf dein Foto bringst. Je weniger die Millimeter Anzahl, desto größer ist der Bildwinkel und je mehr Motiv hat auf dem Bild Platz. Je größer die Millimeter Anzahl, desto kleiner wird der Bildwinkel und weniger Motiv hat Platz. Eine kurze Brennweite ermöglicht weitwinkelige Aufnahmen, eine lange Brennweite ist gut für Tele-Aufnahmen. 

Brennweite Grafik mm vs. bildwinkel
mm Brennweite und Bildwinkel in Grad - Übersicht

Lichtstärke:

Die Lichtstärke gibt an, wieviel Licht durch das Objektiv auf den Sensor fällt. Sie wird durch die maximale Blendenöffnung ausgedrückt. Eine hohe Lichtstärke (z.B. f/1.8 oder f/2.8) führt zu einem schönen Bokeh-Effekt (= Hintergrundunschärfe) und hilft dir bei schlechteren Lichtverhältnissen.

Bildstabilisator:

Speziell bei langen Brennweiten ist ein Bildstabilisator ein wichtiges Asset. Er hilft dir, Unschärfe durch Verwackelungen, die durch das Freihand-Fotografieren auftreten können, zu vermeiden. 

Auflösung und Schärfe:

Jedes Objektiv hat eine bestimmte optische Auflösung. Extemwerte wie z.B. f/1.4 oder die längste Brennweite können die Auflösung verschlechtern. Vor allem in den Randbereichen des Bildes sieht man bei offener Blende gerne eine geringere Qualität.  

Verzeichnung:

Mit Verzeichnung ist gemeint, wie stark ein Objektiv gerade Linien krümmt. das ist besonders bei Architekturaufnahmen wichtig. Allerdings kann eine Verzeichnung in jedem Bildbearbeitungsprogramm mit einem Klick entfernt werden.

Chromatische Aberration:

Das sind Farbsäume, die an Kontrastkanten entstehen. Bei hochwertigen Objektiven sieht man diese unschönen Farbränder meist in grün oder violett viel weniger. Auch die können mit einem oder wenigen Klicks entfernt werden.

Filtergewinde:

Ein Filtergewinde hat den Vorteil, dass du Filter an das Objektiv anbringen kannst.

Material und Bauart:

Entscheide, wie wichtig dir Robustheit und Gewicht sind. Ein Objektiv sollte wenigstens Spritzwasser aushalten können, denn du möchtest es ja nicht bei jedem Tropfen Regen einpacken müssen. 

Welches Objektiv nehme ich wann mit?

Foto © Jutta Schirmböck

Diese Frage höre ich sehr oft: Wenn du fotografieren gehst, welche Objektive nimmst du mit? Alle? Oder wie wählst du eines aus? Was, wenn du dann eines brauchst und es nicht dabei hast? Wie machst du das auf Reisen? Ich möchte ja nicht immer alles mitschleppen.
… und so weiter…

 

Ich möchte auch nicht immer alles mitschleppen. Mein Rücken und mein Nacken streiken schon lange, wenn ich ihnen einen Rucksack mit 10 kg Gewicht (oder noch mehr) zumute. Deshalb wähle ich die Objektive für den Anlass aus. 

 

Darauf folgt meist die nächste Frage: Aber ich weiß ja noch gar nicht, was ich fotografieren werde. Wie soll ich da wissen, was ich brauche?

 

Ich gehe seit Jahren nicht mehr “einfach so” fotografieren, sondern überlege mir immer wenigstens ein übergeordnetes Thema. Streife ich durch die Stadt, mache ich mir vorher Gedanken, was ich fotografieren möchte (z.B. eine Farbe, ein Muster, Street, Architektur, usw.). Wenn ich diese Entscheidung getroffen habe, dann weiß ich schon, was ich brauche. Möchte ich Architektur fotografieren, brauche ich das Weitwinkel.
Möchte ich Details fotografieren, nehme ich das Teleobjektiv 70-200 mm mit.
Entscheide ich mich für Abstrakt, so wird es wahrscheinlich auch eher das 70-200 mm. 

 

Wenn ich auf Fotoreise fahre, entscheide ich auch bewusst, was ich mitnehme und nehme das Risiko, ein Objektiv nicht dabeizuhaben, auf mich. Auf Safari zum Beispiel brauche ich lange Brennweiten. Da muss das 150-600 mm Objektiv unbedingt in den Fotorucksack, ebenso das 70-200 mm. In diesem Fall überlege ich, ob ich für Landschaften noch das 24-70 mm Objektiv mitnehme. Hier empfehle ich, dass du dir vorher die Route anschaust und auch einmal ganz gezielt nach Bildern der Gegend suchst. Dann weißt du relativ schnell, ob du ein Objektiv mit kleineren Brennweiten brauchst oder nicht. 

 

Für eine Städtereise packe ich immer das 70-200 mm Objektiv ein, denn ich liebe es, komprimierte Ansichten zu fotografieren. Gibt es in der Stadt tolle architektonische Werke, ist das Weitwinkel-Objektiv (16-35 mm) ein Muss. Dann kann es auch durchaus passieren, dass ich für den Bereich dazwischen (35 – 70 mm) nichts dabei habe. 

 

Wenn ich Landschaften fotografiere, nehme ich meistens das 70-200 mm und das 24-70 mm mit – außer, ich weiß, dass ich unbedingt das 16-35 mm Teil benötige. Oder ich kann mit dem Auto sehr nah an die Location fahren und muss nicht weit mit dem ganzen Gepäck gehen.

 

Ich hoffe, diese Herangehensweise hilft dir bei deinen Überlegungen, welche Objektive du in deinen Foto Rucksack packst.