Als ich das erste Mal vor sehr vielen Jahren in New York war, dachte ich mir: „Nur nicht falsch aus der U-Bahn aussteigen und dann in der Bronx landen.“ Der heute so hippe Stadtteil der Megametropole hatte einen gefährlichen Ruf. Morde standen an der Tagesordnung, Gangs regierten die Straßen. Ich habe Jonathan Lessuck, einen waschechten New Yorker, der seit 25 Jahren in der Bronx lebt, befragt, wie es heute um den Ruf bestimmt ist und wie es auf den Straßen der Bronx zugeht.

Woher kommt eigentlich der schlechte Ruf der Bronx?

Mit der Verlängerung der U-Bahn aus Manhattan während der 10-20er Jahre, konnten Arbeiter leichter in die Fabriken in Lower Manhattan pendeln, wodurch die Einwohnerzahl der Bronx enorm anstieg. Während der Prohibition in den 20-30er Jahren wuchs die illegale Whiskey Schmugglerei rasant, Banden etablierten sich in der Bronx und regierten die Straßen. 

Während die irischen, deutschen, italienischen und jüdischen Einwanderer aus der Bronx abwanderten, blieben hauptsächlich mittellose Puerto Ricaner und Afroamerikaner, die durch das Slum Clearing von Manhattan in den 50 und 60er Jahren umgesiedelt wurden. Durch den Bau von Schnellstraßen durch damals stabile Arbeiterbezirke wurden leistbare Wohnhäuser abgerissen. 

Projekte rund und den sozialen Wohnungsbau wurden ins Leben gerufen, so wurden etwa Komplexe errichtet, die CO-OP City, die 60.000 Bewohner fassten. Die Bronx wurde zu einem sozialen Brennpunkt mit hoher Kriminalitätsrate. 

Neben den Gang-Problemen und der hohen Kriminalität gab es in den 60 und 70er Jahren noch das Problem, dass viele Hausbesitzer hauptsächlich in der Süd Bronx ihre Häuser anzündeten, um von der Versicherung Geld zu kassieren. In der Bronx herrschte Armut und Chaos. Das eine führte zum anderen.

Foto Kollektion Flashback: The Bronx Slums, 1950s

Ein Katalog mit Fotos unter dem Titel "Bronx Slums", aufgenommen 1952 und 1952

Und warum die Bronx heute viel besser als ihr Ruf ist?

Was hat sich im Lauf der Jahre verändert und wie sieht es heute aus in New York’s berüchtigter Hood? Ich habe mit Jonathan Lessuck gesprochen. Er lebt seit 25 Jahren in der Bronx und hat mir seine Sicht der Dinge geschildert und warum wir diesen Stadtteil unbedingt bei unserem nächsten New York Besuch auf der Bucketlist haben sollten.

Jonathan, du lebst seit 25 Jahren in der Bronx. Kannst du uns erzählen, was sich in den letzten Jahren verändert hat?

Es gab sehr viele Veränderungen in der Bronx und die meisten haben mit der sich einschleichenden Gentrifizierung (Prozess, bei dem in einem Wohngebiet eine statusniedrige durch eine statushöhere Bevölkerung ausgetauscht wird) zu tun. Während wir hier in der Bronx noch nicht den hohen Grad an Dislokation wie in Manhattan oder Brooklyn erreicht haben, so spüren wir doch die Auswirkungen. Mittelständige Familien wurden aus dem nördlichen Manhattan in die Bronx vertrieben, was es für Familien der Arbeiterklasse extrem schwierig machte, sich die Mieten zu leisten. Das Ergebnis ist, dass viele Bewohner der Bronx, vor allem Familien, in Obdachlosenunterkünften wohnen. Der Anteil ist enorm gewachsen.

Hatte die Nulltoleranzstrategie positive Auswirkungen auf diesen Teil New Yorks? Wenn ja, glaubst du, dass diese Initiative nur eine Verschiebung des Problems in die Außenbezirke war? 

Ich würde sagen, diese Nulltoleranzstrategie war ein Desaster. Sie ist für die Zunahme an Verhaftungen verantwortlich, wodurch die Gefängnisse drastisch überfüllt sind. Vor allem aber wurde diese Nulltoleranzstrategie von der Polizei als Einschüchterung für fast alle Schichten der Bronx benutzt. In Wahrheit ist die Kriminalitätsrate schon lange vor der Zero Tolerance Ära gesunken. 

Gibt es Gegenden in der Bronx, die du Besuchern nicht empfehlen würdest? Welche sind das?

Ja, es gibt Gegenden in der Bronx, in denen man vorsichtiger sein solle – so wie in jeder anderen Großstadt eben auch. Ich möchte aber lieber die Ecken hervorheben, die diesen Stadtteil so lebenswert machen. The Gegend um die 149. Straße und die gesamte Länge des Grand Concourse, die West Farms Sektion, Fordham Road – das sind alles Gegenden, in denen man die Arbeiterklasse, aber keine Touristen antrifft. Und doch hat sie so viel an Geschichte zu bieten. Daneben empfehle ich noch den Bronx Zoo, die botanischen Gärten, Arthur Avenue (das echte Little Italy) und City Island – alles Gegenden, in die es die Einwohner New Yorks und Umgebung zieht. 

Wie sind die Reaktionen, wenn Nicht-New Yorker dich fragen, woher du kommst und du mit The Bronx antwortest? Fragen dich Menschen nach den Mythen und über das Leben dort? Über Kriminalität und Banden? Fühlst du dich bei negativen Entgegnungen angegriffen und was sagst du den Menschen?

Ja natürlich habe ich viele negative Reaktionen von Menschen bekommen, denn ich sagte, dass ich in der Bronx wohne. Ich bin aber nicht beleidigt, denn ich verstehe, dass die Eindrücke aus der Geschichte kommen. Von Howard Cosell, der sagte, „The Bronx is Burning“ über Filme und Bücher wie „Fort Apache – The Bronx and Bonfire of Vanities“ – Leute, die die Bronx und die Menschen, die hier leben, nicht wirklich kennen, fühlten sich frei, einige der abscheulichsten, rassistischen Stücke zu schreiben.

Ich sage den Menschen, dass sie herkommen und sich selber ein Bild machen sollen, bevor sie urteilen. Ja, es gibt Probleme hier. Aber im Großteil der Bronx, so wie überall anders auch, leben Familien, die hart arbeiten und es nicht leicht mit den Ungleichheiten haben.

Ich habe kürzlich einen Online Artikel, datiert mit 1. Juli 2018, gelesen, in dem es über eine Messerstecherei durch die Trinitarios Gang in der Bronx ging. Es heißt: „ Der Ausbruch an Gewalt versetzt die Bewohner der Bronx in Angst und Schrecken, wenn sie die Straßen entlang gehen.“

Was sagst du dazu? Sind die Menschen verängstigt und ist die Gewalt der Gangs nach wie vor ein großes Problem?

Ja, es gibt Gangs in der Bronx, so wie fast überall in den Vereinigten Staaten. Und dabei meine ich Gangs aller Arten, von den Los Trinitarios, Bloods, Crips und die White Nationalists, die Meth in Amerika verkaufen. Ich würde sagen, dass die Schlagzeile von oben nicht zutreffend ist. Es mag zwar Gebiete geben, in denen Bandenaktivität ein Thema ist, aber es ist nicht das selbe Problem wie vor dreißig Jahren.

Bist du selber schon einmal in eine gefährliche Situation in der Bronx gekommen?

Ja…

Gibt es etwas, das du Touristen rätst, wenn sie durch die Bronx spazieren?

Der Großteil der Bronx wird von Leuten wie du und ich bewohnt, außer, dass sie von Inseln und Ländern außerhalb Europas kommen. Geh raus und genieße alle Dinge, die du hier finden kannst und die es bei dir Zuhause nicht gibt.

Möchtest du den Besuchern eine persönliche Nachricht hinterlassen oder dem Gesagten noch etwas hinzufügen?

Geh raus aus Manhatten! Es gibt so viel mehr in New York City, als die Gegenden, wo sich die meisten Touristen aufhalten. Hab keine Angst, Stadtteile, die zu besuchen, die über die Karte deines Hotels hinausgehen. Nimm den Bus oder die U-Bahn bis zur Endstation und schau, was du dort findest. So reise ich und dabei lerne ich enorm viel über einen Ort.

Danke, Jonathan für deine ehrliche Ansicht und deine Tipps. Ich für mich habe mein „U-Bahn-Bronx-Trauma“ vor über 20 Jahren vergessen und freue mich schon, bei meinem nächsten New York Besuch, die Bronx zu entdecken. Und du solltest das auch tun.

Wenn du mehr über Jonathan und seine Reisen lesen möchtest, schau auf seinem Blog „Travels in the 2nd half“ vorbei